Offenbarung - Theologische Stellungnahme

 

Offenbarung:

 

ist Umgangssprachlich: "unerwartete Erfahrung eines bedeutsamen Sachverhaltes"

 (→Privatoffenbarung),
religionswissenschaftlich: "Erscheinung oder Einwirkung des Göttlichen in der Welt",

christlich:  "die in der Geschichte erfolgende radikale und totale Selbstmitteilung Gottes als des absoluten Geheimnisses (bleibt es nur für die, die nicht glauben!) durch Worte, Taten und Ereignisse, die ihren Höhepunkt in Jesus Christus erreicht, durch den Heiligen Geist vermittelt wird und ihre heilschaffende Wirksamkeit entfaltet, wenn sie von den Menschen im Glauben angenommen wird."

 

"Weil Christus die die endgültige und unüberbietbare Selbstaussage Gottes ist, kann es keine spätere neue öffentliche konstitutive O.[ffenbarung] mehr geben". Sie ist abgeschlossen, von der Kirche treu zu bewahren und durch das Lehramt aktuell zu entfalten.[1]

 

Offenbarung ist die freie Liebestat Gottes an den Menschen, sie beschreibt Wahrheiten, die dem Verständnis des Glaubens dienen (praeambula fidei), den Glauben und das christliche Leben unmittelbar betreffen (rel fidei vell morum) oder konkretisiert sich in geschichtlichen Ereignissen mit theologischer Bedeutung (facta dogmatica).

Offenbarung erfolgt der Intention nach direkt oder indirekt, sie ist formal ausdrücklich (explizit), einschlussweise (implizit) oder virtuell (erst/nur theologisch zu erschließen).[2]

 

Privatoffenbarung (→Erscheinung)

 

Beschreibt Offenbarungserfahrungen und/oder -Inhalte, die sich an Einzelpersonen richten und nach Abschluss der Offenbarung (Jesus Christus) erfolgen.


Weil sie nicht zum Wesensbestand des durch die Offenbarung begründeten Glauben (depositum fidei) gehören, kann ihnen eine allgemein Glaubensverbindlichkeit nicht zugesprochen werden. Da sie oft mit Erscheinungen verknüpft sind, diese aber ihren Authentizitäts- und Wahrheitsanspruch nicht aus sich selbst verbürgen können, benötigen sie die Bestätigung durch das Lehramt und erreichen erst dann und nur im vom Lehramt beschriebenen Rahmen Verbindlichkeit.  

Nur der jeweils Angesprochene kann eine Glaubensverpflichtung verspüren, zu theologalem Glauben verpflichtet sein (bedeutsamer Sachverhalt, s.o.).

Dennoch haben sie insofern öffentliche Relevanz, weil sie sichtbar machen, dass Gott sich dem Menschen zuwendet. Dann ist die Privatoffenbarung ein Kennzeichen dafür, dass Gott auch heute noch geschichtlich wirksam ist. Aber eine Erweiterung, Ergänzung oder Verängung des Glaubens kann nicht eingefordert werden, weil die Offenbarung in Christus abgeschlossen ist.

Besser wäre es, hier nicht von (Privat-)Offenbarung zu sprechen, sondern vielmehr darauf zu verweisen, dass hier die Kategorie der Prophetie das Gesamtgeschehen, wie das persönliche Erleben besser beschreibt.[3]

 

 

Inhalte von Privatoffenbarungen:

 

Am häufigsten: Marienerscheinungen, manchmal kombiniert mit Prophezeiungen (Fatima) oder Aufforderungen, einzelne Inhalte des Glaubens "deutlicher" zu leben.

Christuserscheinungen (auch als Kind!) mit vergleichbaren Intentionen.

Am seltensten Erscheinungen Gottes/des göttlichen (Hildegard von Bingen).

 

Alle drei Erscheinungen haben z.B. Ordensgründungen zur Folge, und ─ sofern von der Kirche anerkannt ─ Gründungen von Wallfahrtsstätten (Lourdes).

 

Problematisch wird es dann, wenn die Privatoffenbarungen in Verbindung mit Erscheinungen gesellschaftliche, politische oder kircheninterne bzw. -organisatorische Inhalte umfassen und als verbindlich erklären wollen. Sprich die Behauptung aufgestellt wird, dass tatsächlich "bisher" etwas innerhalb des Glaubens verborgen war, von Gott aber gewollt ist, und daher privat offenbart wurde und für alle Glaubende verbindlich zu sein habe, oder aber nur bestimmte Formen der Frömmigkeit oder des Gebetes bei Gott den jeweils persönlich oder allgemein "erwünschten" Erfolg zeigt.

z.B.: nur wenn zum Heiligen N.N. gebetet wird, geschieht …; wenn von allen "dieses" (jeweils konkret beschriebene) Verhalten gezeigt wird, geschieht ….

 

Denn hier wird behauptet, dass Gott angeblich etwas will, über diesen Weg die Inhalte göttlich legitimiert, die Empfänger der Offenbarung sowie die Anhänger werden aus der Gemeinschaft der Glaubenden insofern herausgehoben, als sie ja "wissen" was Gott will, und alle übrigen herabgewürdigt ─ erst recht alle, die nicht glauben. Da hier arkanes göttliches Wissen behauptet wird, wird fast immer insofern eine Immunisierung wirksam, welche die kirchlichen Stellen, die beurteilen sollen, als im Widerspruch zum göttlichen Willen stehend beschreiben, erst Recht, wenn eine Ablehnung seitens dieser Stellen erfolgt.

 

Erscheinung(en)

 

beschreibt allgemein (philosophisch) das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen (phänomenon).

Theologisch beschreibt es das Erscheinen Gottes bzw. seiner Engel bei Menschen (theophanie), christlich in Jesus Christus und speziell wird der Auferstandene in Form der Erscheinung beschrieben

(epiphanie). Darüber hinaus sind private Erscheinungen in der Apostelgeschichte überliefert (Paulus/Damaskus).

Für das, was im Volksglauben als Erscheinung benannt wird, gibt es keine theologische Definition, weil sie sich von den verwandten Begriffen (z.B.: Privatoffenbarung) kaum differenzieren lässt. Erst recht, wenn es sich um nachbiblische Erscheinungen handelt, kommt ihnen keine allgemeine Glaubensverbindlichkeit zu (Abschluss der Offenbarung in Jesus Christus).

Von der Vision (schauen/geistig/spirituell → Mystik) sind sie insofern abzugrenzen, als sie eher gegenständlich, raum-zeitlich strukturiert und sinnenhaft-realistisch beschrieben werden. Sie sollten Gegenstand der empirischen Forschung sein, nicht der Theologie!

 

Allerdings würde der Ausschluss bzw. die Ablehnung der grundsätzlichen Möglichkeit gottgewirkter Erscheinungen der Lehre der Kirche widersprechen. Der Heilige Geist wirkt wo und wie er will. Grundsätzlich sind sie also auch heute noch möglich. Allerdings sind sie allenfalls je persönlich verpflichtend, können aber nur durch die Anerkennung der Kirche und dann auch nur in dem von ihr beschriebenen Rahmen Gültigkeit und Verbindlichkeit erlangen. So hat zum Beispiel die Marienerscheinung in Fatima die kirchliche Anerkennung erlangt, aber schon die Frage ob und in wie Fern die Prophezeiungen die übermittelt wurden bereits erfüllt wurden und erst recht (falls nicht) wann sie es tun und wen sie wirklich betreffen, ist höchst strittig, auch wenn einzelne Personen (Papst Johannes Paul II.) sie auf sich selbst bezogen haben.

Anerkennung erhalten die meisten Erscheinungen dann, wenn sie bereits bestehende, in der Offenbarung enthaltene Inhalte des Glaubens bestätigen, bekräftigen oder fördern. Alle darüberhinausgehenden Dinge, Anweisungen, Forderungen und erst Recht vermeintliche Ergänzungen der Offenbarung wurden bisher abgelehnt.[4]

 

 

 

Was steht im Hintergrund

 

Zur Person:

 

Vorbemerkung: Die Person, welche die Erscheinungen hat bzw. die Offenbarungen erhält, ist nicht persönlich bekannt. Auch ihr Lebensweg und ihre Erfahrungen im eigenen Leben oder in der Kirche sind nicht bekannt.

 

Ein persönlicher Lebensweg mit seinen psychologischen und gesellschaftlichen Konnotationen steht immer im Hintergrund von Erscheinungen und Privatoffenbarungen. Diese können, müssen aber nicht problematisch sein. Es geht auch nicht darum, welche gesellschaftliche oder innerkirchliche Position die Betreffenden haben. Gerade die von der Kirche anerkannten Erscheinungen und Privatoffenbarungen wurden (häufig) Personen zu Teil, die gerade zu den "untersten" Schichten der Gesellschaft wie der Kirche gehörten. Dass die Anerkennung seitens der Kirche erfolgte, hatte häufig gerade damit zu tun, dass eine "Absichtslosigkeit" seitens der Offenbarungs-/Erscheinungsempfänger festgestellt wurde. Sie also für sich persönlich nichts erreichen wollten, oder ihnen gar der gesamte Vorgang als solcher eher unangenehm war. Das heißt, da sie selbst nicht die Erwartung hatten oder formulierten, dass die Kirche ihre Anerkennung ausspricht, war gerade das mit ein Grund für die Anerkennung.

Problematisch werden sie dann, wenn die Person, welche die Privatoffenbarung erhält, damit ihren innerkirchlichen oder gesellschaftlichen Status "verbessern" will. Da dies unbewusst und als Reaktion auf den eigenen Lebensweg geschieht, wird es selbstverständlich vehement geleugnet werden. Aber fast immer wird der Glaube direkt oder indirekt als defizitär und/oder ein besseres "Früher" oder "Zukünftiges" beschrieben. Psychologisch ist dies häufig mit persönlichen Erfahrungen von Angst verbunden oder eine Reaktion auf eine konkrete gesellschaftliche oder kirchliche Situation, die gerade deshalb nicht zugelassen werden oder zugelassen werden können, weil sie betreffenden Person selbst nicht bewusst sind, oder aber Angst haben, als ein Beispiel, selbst als gefährlich erfahren wurde. Daher ist immer zu überprüfen, inwiefern der persönliche Lebensweg der Personen mit den Inhalten der Privatoffenbarung korrespondiert bzw. sie daraus begründet sind, und folglich im höchsten Maße "privat" sind. Denn dann wären ganz andere Ziele mit den Erscheinungen verbunden als die, den Glauben zu leben und ihm persönliche und konkrete Gestalt zu geben ─ dann geht es um Macht, Einfluss und Bedeutung!

 

Im konkreten Fall erschien Maria regelmäßig und immer in der Mode des 18. und 19. Jahrhunderts. Jedes Mal in einem neuen Kleid in anderer Farbe. Das selbst muss noch nicht gegen die Erscheinung sprechen ─ so wurde es erlebt, gesehen etc. Aber die Frage muss erlaubt sein, was diese Art der Erscheinung über die Person erzählt, welche die Offenbarung erhält.

Ebenso ist die Frage zu stellen, warum nun aktuell nicht mehr Maria erscheint, sondern das Kind, Jesus. Es ist nicht auszuschließen, dass die kirchliche Verweigerung der Authentizität der Marienerscheinungen dazu führt, nun mit dieser Art der Erscheinung die kirchliche Anerkennung erreichen zu wollen, erscheint doch jetzt Jesus, und damit Gott, selbst.

Wenn das der Fall sein sollte, muss erst recht überprüft werden, in wie weit persönliche Erfahrungen im eigenen Lebensweg oder in der Kirche hier eine Rolle spielen. Dann bewegen wir uns aber auf einer seelsorglichen, spirituellen und/oder psychologischen Ebene, in deren Mittelpunkt die Person steht, es aber gerade nicht darum geht, ob, in welcher Weise und zu welchem Grad das Offenbarte "verbindlich" ist. Auf Grund des bisherigen Verfahrens halte ich diesen Weg aber nicht (mehr) für gangbar, es sei denn, dies würde von der betreffenden Person selbst gewünscht. Da das aber bedeuten würde, den eigenen, bisherigen Weg in Frage zu stellen, also das Selbstbild anzugreifen bzw. mindestens in Frage zu stellen, halte ich das für ausgeschlossen. Durchaus auch mit Blick auf die Person ─ kann doch dann ein vollkommener psychologischer Zusammenbruch der Person nicht ausgeschlossen werden. Auch wenn gerade darin für die Person nach erfolgreicher psychologischer und seelsorglicher Bearbeitung Heil und Leben liegt.

 

Gesellschaftlich:

 

Die Marienerscheinungen endeten ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die zuständige Zivilgemeinde das Parken von Bussen auf der Bundesstraße untersagte und die Errichtung von Busparkplätzen einforderte und zudem verlangte, dass für die hohe Anzahl von Pilgern entweder ausreichende Toilettenanlagen zu errichten seien bzw. Toilettenhäuschen in ausreichender Zahl aufzustellen seien. Möglicher Weise spielten Entschädigungszahlungen an Landwirte ebenfalls eine Rolle, sofern es stimmt, dass auf einzelnen Wiesen oder Ackerflächen Busse "wild" parkten.

In der Zwischenzeit soll ein Pilgerhaus errichtet worden sein. Das ist möglicher Weise als Reaktion auf die öffentlichen Verordnungen, Anweisungen und Strafandrohungen zu sehen, auch wenn die Errichtung eines Pilgerhauses selbst erst einmal nicht verwerflich ist. An der grundsätzlichen Situation (Parken, Notdurft) scheint sich aber nichts geändert zu haben. Das heißt ─ erneutes Aufflammen der Pilgertätigkeit mit entsprechend hohen Zahlen, hätte die öffentlichen Belange zu befriedigen.

 

Kirchlich:

 

Ist der Status quo, dass die Erscheinungen und die damit verbundenen Offenbarungen keine kirchliche Anerkennung gefunden haben.

Darüber hinaus wurde die betreffende Person spirituell seitens des Bistums Aachen begleitet. In wie weit dies derzeit und durch wen geleistet wird, ist nicht bekannt. Auch die Zielsetzung der Begleitung ist nicht bekannt. Sofern sie zum Ziel hatte, das Gesamt für immer zu beenden, kann sie als gescheitert angesehen werden.

 

 

 

Rahmen und Strategie

 

Am wichtigsten ist, in Erfahrung zu bringen, was das Bistum Aachen bzw. der Bischof von Aachen will! Sofern ein neuer Wallfahrtsort gewünscht ist, ist damit jedwede andere Beratungsrichtung hinfällig!

Gleichermaßen ist zu überprüfen, ob das Bistum Aachen bzw. der Bischof von Aachen noch Herr des Verfahrens ist, oder ob dies von höherer Stelle (Nuntius/Rom) übernommen wurde. Auch dann ist jedwede weitere Beratung hinfällig bzw. wenn, dann nur bedingt möglich. Sollte es stimmen, dass zu Zeiten des Pontifikates Benedicts XVI. von Seiten der handelnden Personen Kontakt mit Rom aufgenommen und dort nicht nur "zugehört" sondern von dort Unterstützung zugesagt wurde, ist sogar davon auszugehen, dass weitere Schritte untersagt werden, weil ein ordentliches kirchliches Verfahren eingeleitet wurde.

 

Sofern der Bischof von Aachen Herr des Verfahrens ist und die bisherige Linie (Nichtanerkennung) beibehalten will, kann die Beratung, Einschätzung und Bewertung, in vollem Umfang erfolgen. Aber in jedem Fall sollte mit der Zivilgemeinde Kontakt aufgenommen werden, um gemeinsam zu handeln, respektive gesellschaftliches und kirchliches Handeln zu koordinieren und der kirchlichen wie der gesellschaftlichen Öffentlichkeit zu erklären.

 

Sofern es zur endgültigen Ablehnung seitens der Kirche kommt, müssen Wege mit den handelnden Personen vor Ort überlegt werden, wie die Aufarbeitung des "bisher" auf und in der persönlichen Ebene spirituell und psychologisch erfolgt. Das wird aber nur im Miteinander gelingen.

Gleichzeitig sollte das Bistum Aachen die übrigen deutschen Bistümer über die Ablehnung und in der ganzen Breite auch die Personen betreffend informieren, da ja auch im Blick gehalten werden muss, dass ein ähnlicher Vorgang von den gleichen Personen an anderem Ort initiiert wird.

 

Sofern also Beratung seitens des BAWs gewünscht wird, muss auf diese Möglichkeiten hingewiesen werden. D.h.: Auch das BAW sollte eher Fragen stellen, bzw. die eigene Einschätzung als Frage formulieren. Es sei denn, der Bischof von Aachen fordert ausdrücklich eine theologische und/oder spirituelle Einordnung und Bewertung ein. Dann können sowohl die theologischen Fragen als auch Hinweise zur Begleitung der handelnden Personen vor Ort gegeben werden (psychologische Begleitung).

 

Wichtig ist aber auch, die Formen der Frömmigkeit und die spirituellen Bedürfnisse vieler Menschen nicht einfach bei Seite zu schieben, sondern ihnen Wege zu eröffnen, wie sie diese ihre Bedürfnisse im großen und weiten Rahmen der Kirche und im in ihren Möglichen leben können. Denn möglicher Weise erweist sich der Ort als einer, der tatsächlich in besonderer Weise spirituell "herausragt", aber weil er das tut, ist die zusätzliche "Verstärkung" durch Erscheinungen und Offenbarungen nicht nötig! Mit anderen Worten: Orte des Gebetes und des spirituellen Lebens sollten auf keinen Fall verhindert oder eingeschränkt werden. Denn, sind sie vom Heiligen Geist initiiert, haben sie tatsächlich Strahlkraft. Das aber kann und muss nicht durch "äußere" Phänomene bewiesen werden, sondern entfaltet seine Kraft aus sich selbst, weil der Heilige Geist wirkt.

 

[1] Vgl dazu: Lexikon der katholischen Dogmatik, Beinert, Wolfgang Hrsg., Artikel "Offenbarung",Freiburg Basel Wien, 31991.

[2]  Ebd.

[3] Vgl. dazu: LThK, Band Acht, Artikel "Privatoffenbarung", Freiburg Basel Wien, 31999.

[4] Vgl dazu: LThK, Band 3, Artikel "Erscheinung" bzw. "Erscheinungen", Freiburg Basel Wien, 31995.