Anfälligkeit religiöser Menschen für Verschwörungstheorien

 

Die Bedeutung von Bildern, Mythen und Figuren

 

 

Nach den von Herbert Busch dargestellten psycho-sozialen Aspekten verfolgt das nun folgende Statement einen vordergründig banalen Ansatz aus den Kommunikationswissenschaften:

Die Sender Empfänger-Theorie

Einfach ausgedrückt: Die Information durch einen Sender ist umso erfolgreicher, je mehr sie mit dem persönlichen Hintergrund und den Erfahrungen des Empfängers übereinstimmt, je mehr sie seine Bedürfnisse und Wünsche trifft und je passgenauer die Sprache und Formulierung ist.

 

Unsere Beschäftigung mit VT begann mit einer Recherche zu VT mit islamistischem Hintergrund, dann VT mit christlichem Hintergrund, dann erweitert auf allgemeine VT

Hier stellte sich schnell die Frage, wie die Lehren von VT ihre Attraktivität entwickeln und wer dafür anfällig ist.

Bei der Suche nach Gründen für die Attraktivität von VT ist uns aufgefallen, dass in den VT häufig Bilder, Mythen und Figuren vorkommen, die in ähnlicher Weise an die Lehren etablierter Religionen erinnern.

Hierzu gehören zum Beispiel:

 

  • der permanente Kampf zwischen Gut und Böse auf der Erde

  • der Einsatz von Katastrophen und Krankheiten bei diesem Kampf

  • die Ermordung von Kindern zur Realisation von Zielen

  • insbesondere ähnliche Vorstellungen der Apokalypse

  • das Auftreten einer Rettergestalt für den Sieg der Guten

  • das Gericht nach dem Kampf zur Aufteilung der Guten und der Bösen

 

 

Diese Beobachtung führte uns zu der These:

 

Verschwörungstheorien verwenden bei der Darstellung ihrer Inhalte und Lehren durchaus – bewusst oder unbewusst –

 

  • Bilder, Mythen, Bezeichnungen und Formulierungen,

  • die in gleicher, ähnlicher oder zumindest vergleichbarer Weise aus den großen Religionen, insbesondere Judentum, Christentum und Islam bekannt sind und

  • eine Zugehörigkeit, Passgenauigkeit oder Übereinstimmung der von der Verschwörungstheorie vertretenen Lehren oder Inhalte mit dem eigenen religiösen Hintergrund potentieller Interessenten oder bereits überzeugter Unterstützer haben, zumindest nahelegen oder vermuten lassen

Diese These impliziert die Konsequenz:

Diese Bekanntheit der Bilder, Mythen, Bezeichnungen und Formulierungen kann gerade bei Erstkontakt Aufmerksamkeit erzeugen, die Akzeptanz von Menschen mit den Inhalten solcher Verschwörungstheorien fördern und ggf. bei der Identifikation mit diesen Inhalten mitwirken.

 

 

Motto: Das kenn‘ ich, das glaub‘ ich, das mach‘ ich!

 

 

 

Unsere Vorgehensweise:

Betrachtet wurden vornehmlich direkte Quellen, also Zitate und Aussagen von betroffenen Personen in Chats, privaten Blogs usw. (weniger indirekte Quellen wie Kommentare Dritter, Zeitungsartikel oder Fachliteratur) aus dem internationalem Bereich. Hierbei zeigte sich bei Interessenten oder Followern der VT ein auffallend häufiger Bezug auf offensichtliche religiöse Sozialisation mit eher traditionalistischer oder fundamentalistischer Basis vornehmlich christlichen oder islamischen Ursprungs. Auffällig war auch das Auftreten leitender Personen von Glaubensgemeinschaften eben dieser religiösen Provenienz bei der Unterstützung von VT z. B. aus dem evangelikal-freikirchlichen Umfeld. Mitunter kann bei einigen VT auch schon von sektenähnlichen Strukturen ausgegangen werden.

 

Hier lässt sich ein treffender Begriff einführen analog zu dem bekannten Crowdfunding als Zusammenarbeit vieler Individuen an einem bestimmten Ziel:

 

Crowdreligion = Mitglieder wirken an Entwicklung der Lehre mit=Teilhabe=Identifikation

 

Ganz wesentlich für die Verbreitung von VT und diese internen Strukturen ist die Verstärkungsfunktion durch das Internet in einer Art Informationsblase, die oft keine Diskussion oder gar Widerspruch duldet.

 

Motto: Sekte goes Internet

 

Verstärkt wird diese Affinität durch das Auftreten von prominenten Führern, Leitern, Bischöfen und Predigern, die religiöse Lehren und Vorstellungen mit Verschwörungstheorien verbinden.

Verstärkt wird diese Affinität ebenfalls durch Verwendung und Vorkommen der oben genannten Bilder und Mythen in anderen Medien (z. B. Bücher, Fernsehen, Film usw.). Auch wenn diese Medien natürlich in keiner Weise ursächlich, bewusst oder gar vorsätzlich diese VT befördern, so werden doch diese Bilder, Mythen und Figuren durch ihre wiederholte Verwendung immer wieder in das Bewusstsein der Zuschauer/Leser gebracht und dadurch der Zugang zu diesen Themen und Welten erleichtert.

 

 

Fazit und Prognose:

 

Aus der Passgenauigkeit ähnlicher Bilder, Mythen und Figuren bei VT und religiösen Gruppen kann ein hoher Wiedererkennungswert und eine hohe Adaptationsfähigkeit bei Mitgliedern insbesondere traditionalistischer oder fundamentalistischer Religionsgemeinschaften abgeleitet werden. Insofern kann von der Annahme ausgegangen werden, dass solcherart religiös sozialisierte Menschen eher für eine Akquirierung und Vereinnahmung durch VT anfällig sein können.

 

Wichtig: Nicht nur in säkularen Systemen/Staaten sondern auch im religiösen Umfeld sind

Verschwörungstheorien in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Dessen sollten sich auch Religionen/Glaubensgemeinschaften gerade christlicher

Provenienz einschließlich ihres Leitungspersonals bewusst sein und Maßnahmen

zur Vorsorge vor Fundamentalismus und ggf. Radikalisierung treffen.

 

 

UFW Februar 2021 Dr. Günter Arnolds Herbert Busch

Für: AJS Arbeitstagung 28. 4. 2021 als Kurzfassung des Referats

Umfangreiches Literaturverzeichnis als Grundlage des Referats beim Verfasser